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Boicut: Die Kunst des In-die-Luft-Schauens

Er ist Maler, graphischer Gestalter und Musiker. Keine Fläche ist ihm zu groß, kein Gegenstand zu klein, um seine Ideen umzusetzen. Ein Atelier-Besuch beim Künstler Boicut.

Fotos: Sophie Köchert

Boicut ist dieser Tage ein vielbeschäftigter Mann. Gerade noch sechs Wochen in den USA, um in Washington und  New York unter anderem auf 750 Quadratmetern ein Kunstwerk  in der Bronx umzusetzen, liegt gleich nach seiner Rückkehr ein Stapel Wörterbücher mit Boicut-Design auf seinem Ateliertisch. „Das ist eine Sonderedition zum 70-jährigen Jubiläum des Österreichischen Wörterbuches“, freut er sich und blättert durch die Seiten. Viel Zeit bleibt dem Illustrator zuhause aber nicht. Ein paar Tage später geht es für eine Auftragsarbeit  zwei Wochen lang an den Millstätter See. „Da habe ich neben der Arbeit aber Zeit, um mich zu erholen und schwimmen zu gehen.“ Denn die besten Ideen habe er noch immer, wenn er seinen Kopf frei habe und die Gedanken ohne konkretes Ziel umherschweifen können.  „Don’t forget to look at the clouds“ hieß vor ein paar Jahren eine Installation von Boicut in der U-Bahn-Passage am Wiener Karlsplatz. Kurz stehen bleiben, innehalten, in die Luft schauen und abwarten, was passiert. Dafür sollte immer Zeit sein. Und auch für eine gemütliche Plauderei mit den Nachbarn. 

“ Denn die besten Ideen habe er noch immer, wenn er seinen Kopf frei habe und die Gedanken ohne konkretes Ziel umherschweifen können. 

Rauchpause mit den Nachbarn

„Ja, ich bin seit ein paar Tagen wieder zurück. Am Wochenende geht es aber schon wieder weiter“, erzählt Boicut einer älteren Dame, während er vor seinem Atelier Zigarette und Espresso genießt. „Wohin geht es denn?“, antwortet die Frau. „Nach Kärnten“. „Ah, das ist ja quasi um die Ecke“, meint die gut gekleidete Dame im roten Sommerkleid und spaziert durch das Haustor. „Das ist meine Nachbarin. Ihr Mann war Diplomat und hat in der österreichischen Botschaft in Washington gearbeitet. Wie der Zufall so will, war ich während meiner USA-Reise auch in der Botschaft in Washington untergebracht“, klärt Boicut auf. „Wir schauen im Haus auf den gleichen Hof. Der ehemalige Diplomat wohnt auf der einen Seite, ich auf der anderen. Wenn wir gleichzeitig eine rauchen, rufen wir uns über den Hof zu.“ Austausch und Kommunikation über Distanzen hinweg – auch das spiegelt sich in Boicuts Arbeit wider. 

Waschmaschinen und Leinwände

Es gibt fast keine Oberfläche und Objekte, die der 39-Jährige noch nicht mit seinen einprägsamen Stil gestaltet hat: Mineralwasserflaschen, Waschmaschinen, Skateboards, Fahrradtrikots, Möbel, Handtücher, Wände oder Ginflaschen. Bei einem Rundgang durch sein Atelier im 8. Bezirk tauchen diese Arbeiten immer wieder auf. Nur Leinwände sind momentan wenige zu sehen – aus gutem Grund. Im Frühling hatte Boicut gemeinsam mit der Künstlerin Sophie Esslinger eine große Ausstellung in der Galerie Hilger. Titel: Samples of Sanity. „Dafür habe ich viele neue Bilder gemacht, die sind aber noch in der Galerie.“  Das zweite Corona-Jahr habe ihm zugesetzt. Da „sane“ zu bleiben, sei nicht immer leicht gewesen. „Für mich ist meine Arbeit auch eine Art Therapie. Ich kann mich mit Ideen, Themen und Menschen beschäftigen und daraus etwas schaffen, das mir und anderen Freude macht. Während Corona wurde vieles sehr eng. Das war schon bedrückend“, meint Boicut. 

Ich bin fasziniert von Alltagsgegenständen, die kaum Beachtung finden.

„Es muss mir Spaß machen“

Freude, das ist ein zentraler Begriff in der Arbeit des Künstlers. „In erster Linie geht es mir darum, dass ich Spaß an meiner Arbeit habe. Dabei ist es nicht so wichtig, ob es eine kommerzielle Auftragsarbeit ist oder ein eigenes Projekt von mir. Im Idealfall überträgt sich diese Freude auch auf den Betrachter.“  Angefangen hat diese Freude als Teenager in den 1990er-Jahren in Niederösterreich. Aufgewachsen mit Skateboard und Punk Rock in der Nähe des Semmerings, prägt ihn diese kreative Energie bis heute. „Das wird auch so bleiben, auch wenn ich mittlerweile viele verschiedene Sachen mache“, ist er überzeugt. Apropos kreative Energie und verschiedene Sachen: Seit kurzem macht Boicut neben seiner Kunst auch Musik mit Hilfe von Synthesizern, Effekt-Pedalen und seines Laptops. „Darin kann ich mich so richtig reinwerfen und aufgehen. Ich arbeite auch viel mit selbst aufgenommenen Samples und das Schöne ist, dass es ein guter Ausgleich zu meiner anderen Arbeit ist.“ Synthie-Sound zum Runterkommen sozusagen. Beides lässt sich aber auch wunderbar kombinieren. „Für meine Ausstellung habe ich einen 40-minütigen Soundtrack gemacht und in der Galerie laufen lassen. Das hat super gepasst.“  

Der Alltag als Faszination

Sorge, sich in den unterschiedlichen Kunstformen zu verlieren, hat Boicut nicht. „Früher war ich der Meinung, dass man sich als Künstler auf einen Schwerpunkt konzentrieren sollte, um einen Wiedererkennungswert zu haben. Heute bin ich sehr froh, dass ich unterschiedliche Formate und Formen machen kann. Dadurch wird man nicht zu verbissen in einer Sache und bleibt offen.“ Wiedererkennungswert haben Boicuts Arbeiten aber ohnedies. Egal ob auf den Straßen von New York oder an den Seen in Kärnten: Die typischen Boicut-Farben Rosa, Rot, Blau, Gelb ziehen sich durch fast alle Arbeiten. „Ich habe über die Jahre schon immer wieder was Neues ausprobiert. Aber die Grundfarben sind gleichgeblieben“, meint er. Was sich allerdings zuletzt verändert hat, ist die Formsprache, die neben der Malerei auch fast skulpturale Arbeiten umfasst. „Ich bin fasziniert von Alltagsgegenständen, die kaum Beachtung finden. Während der Arbeit für meine Ausstellung ist mir ein gestreifter Fetzen am Boden meines Ateliers aufgefallen. Ich fand den unglaublich spannend und habe ihn mir immer wieder angesehen. Die Form und Struktur des Tuches hat mich für meine Bilder inspiriert.“ Gleiches gilt auch für seine Arbeit an der Sonderedition des Österreichischen Wörterbuches. Während eines Spaziergangs ist Boicut ein gefaltetes Stück Papier am Boden aufgefallen. „Ich habe ein Foto davon gemacht, weil es mich nicht mehr losgelassen hat. Auch dieses Papier ist dann als Idee in die Arbeit für das Wörterbuch geflossen.“ Man muss also nicht immer – um bei Boicuts eigenen Worten zu bleiben – in den Himmel schauen, um gute Ideen zu haben. Wer aufmerksam bleibt, der findet auch am Boden spannende Dinge – von New York bis zum Millstätter See. 

Austausch und Kommunikation über Distanzen hinweg – auch das spiegelt sich in Boicuts Arbeit wider. 

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