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Lukas Gansterer: „Scheiße, jetzt bin ich Fotograf!“

Ob heimische Modelabels, internationale Pro Skater oder Gletscherforscherin in Tirol: Der Fotograf und Skater Lukas Gansterer über den richtigen Moment und die Kunst der Glaubwürdigkeit.

Fotos: Sebastian Weissinger

Man muss sich Lukas Gansterer als gemütlichen Menschen vorstellen. Er sitzt im Innenhof des Hotels am Brillantengrund im 7. Bezirk in Wien und verspeist in aller Ruhe sein Lemongrass Chicken. Während er über seine Arbeit und sein Leben spricht, macht er zwischen den Sätzen kurze Pausen. Fast scheint er darauf zu warten, dass die Gedanken auf ihn zukommen. Doch dann, wenn es zur Sache geht, bringt er seine Sicht der Dinge blitzschnell auf den Punkt. Social Media? „Das ist ein sehr dunkler Ort. 99 Prozent der Leute verwenden das falsch.“ Seine Heimatstadt Hainburg? „Da gibt es jeden Supermarkt fünfmal, aber die Altstadt stirbt aus. Es fehlt an Weitsicht.“ Online-Foren von Tageszeitungen? „Eine Katastrophe. Da müssen immer alle die Welt erklären.“

Es ist diese Kombination aus Gemütlichkeit, die Dinge auf sich zukommen zu lassen, und das blitzschnelle Festhalten einer Situation, die auch die Arbeit von Lukas Gansterer als Fotograf auszeichnet. „Mir geht es um Momente, nicht um das technisch perfekte Foto. Der Moment muss glaubwürdig sein. Ich könnte dich jetzt bitten, aus dem Glas zu trinken und ich mache ein Foto. Aber das wäre nicht authentisch. Wenn ich aber abdrücke während du ganz normal aus dem Glas trinkst, dann bist das du auf dem Foto. Das ist ein echter Moment“, erzählt der 38-Jährige. Dafür braucht es einen offenen Blick für die Welt und ein Gespür für Menschen. Beides hat Lukas beim Skateboarding gelernt.

Unterwegs mit dem Blick des Skaters

„Alles was ich über Design, Fotografie oder Architektur weiß, kommt vom Skaten. Bin ich zum Beispiel in Barcelona, fallen mir nicht die klassischen Sight-Seeing-Orte  auf, sondern die Skatespots. Ich habe über das Skateboarden eine andere Wahrnehmung von Städten und Menschen bekommen. Mit dem Blick des Skaters unterwegs zu sein, gibt mir eine Mission. Diese Art der Motivation brauche ich oft, um Dinge anzufangen. Sonst bin ich oft auch gerne mal faul.“ Aufgewachsen in Hainburg an der Donau in Niederösterreich, setzt sich Lukas als Jugendlicher regelmäßig in den Zug und fährt zum Skaten nach Wien. „Damals gab es kaum Leute, die fotografiert haben. Es gab den Chop Suey, den Pauli oder den Gerhard Stochl. Ich habe mir oft gedacht, den Trick könnte man auch so oder so fotografieren, dann würde es noch geiler aussehen. Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass das einmal mein Beruf werden könnte. Ich hab’ das halt einfach ausprobiert.“  Anfang der 2000er-Jahre kauft sich Lukas auf einer USA-Reise seine erste Point-and-Shoot-Kamera. “Das war eine Olympus oder Canon, eingeschweißt in Plastik wie ein Stanley Messer. 19,90 Dollar hat die damals gekostet.“ Später macht er das Kolleg für Grafikdesign in Wien und fotografiert nebenbei. Dann kam der Wendepunkt: die Zusammenarbeit mit Wendy & Jim.  

„Interaktion ist mir wichtig“

„Ein guter Freund von mir hat ein Praktikum beim Modellabel Wendy & Jim gemacht und ist mit denen nach Paris zur Fashion Week gefahren. Ich war mit dem Kolleg fertig, hatte gerade nichts zu tun und bin einfach mit. Bei den Shows habe ich dann Backstage fotografiert. Zurück in Wien, habe ich eine CD gebrannt mit circa 50 Fotos und den beiden gegeben. Für mich war das wie ein Urlaubsandenken, das ich teilen wollte.“ Das war im Jänner 2006. Ein paar Wochen später wird aus den Urlaubsfotos eine Doppelseite im Hochglanzmagazin. „Die beiden haben mich angerufen und gesagt: ‚Hey, wir haben deine Fotos publiziert.’ Wo haben sie aber nicht mehr gewusst. Irgendein Architektur- und Designmagazin.“ Tatsächlich wurden Lukas’ Fotos in der 50. Ausgabe des „Frame Magazine“ publiziert – zwischen den Stardesignern Helmut Lang und Bernhard Wilhelm. „Ich bin dreimal zum Morawa spaziert, bis ich das Heft bekommen habe und hab’ mir beim Anschauen gedacht: ‚Scheiße, jetzt bist du Fotograf!’ Von da an habe ich regelmäßig für Wendy & Jim fotografiert.“   

Seine Fotojobs und Ausstellungen in der Modewelt versucht er mit einem anderen Blick zu gestalten. „Bei einer Ausstellung in Berlin habe ich ein 1,6×2 Meter-Foto am Boden auf die Straße geklebt, die Besucher konnten da einfach drüber laufen. Bei einer anderen Show in Stockholm habe ich Fotos an die Decke geklebt, in Innsbruck im Stiegenhaus auf die Treppe. Interaktion ist mir bei meiner Arbeit wichtig.“ 

„Die Story und die Menschen müssen spannend sein“

Lukas’ Lieblingskamera ist die Contax G2. Die ist klein und kompakt, braucht Gelassenheit, um dann den richtigen Moment zu erfassen. „Ich hasse es, viel herumzuschleppen. Ich fotografiere auch gerne analog, weil man das Ergebnis nicht sofort sieht. Aber auch, weil es das Um und Auf sein kann, wenn mal ein kleiner Fehler entsteht. Ich retuschiere auch wenig bis nichts“. Wer auf dem Foto zu sehen ist – ob berühmt oder nicht, Fashionikone oder Fiakerfahrer – spielt keine Rolle. „Die Story und die Menschen müssen spannend sein. Ich habe mal mit Alex Olson Fotos in der Prada Foundation in Mailand gemacht – ein unüblicher Ort für einen Skater. Aber dort sind Fotos entstanden, die woanders so nicht entstanden wären. Ein anderes Mal habe ich mich um vier Uhr in der Früh in den Zug gesetzt, um eine Gletscherforscherin am Stubaier Gletscher zu fotografieren. Abends bin ich wieder zurück nach Wien gefahren. So einen Trip würde ich sonst nie machen. Aber gerade das gefällt mir: Eine Mission zu haben,  aus der Komfortzone rauszukommen und dabei Orte und Menschen zu erkunden.“ 

„Kunst muss nicht hinter einer Panzerglasscheibe hängen“

Neben Arbeiten für Magazine, Galerien und Brands schaut Lukas aber auch, dass seine Fotos niederschwellig zugänglich sind. Dafür hat er seine eigene kleine Brand „Whitehouse 3000“ ins Leben gerufen. „Da gibt es immer ein Item, das man tragen kann. Ein Item, das gedruckt wird – zum Beispiel eine Postkarte, ein Poster oder ein Fanzine. Und ein Item ist immer ein Skateboard. Pro Serie gibt es ein Thema. Bei der ersten Serie waren das Hunde. Bei der zweiten Serie waren es so genannte Gaspedal Honeys. Das ist ein Fetisch von Füßen, die ein Gaspedal durchtreten. Eine Serie waren Collagen mit Rappern vor oder im Weißen Haus. Ich wollte immer einen demokratischen Zugang zu meinen Arbeiten. Die Idee, das Kunst nicht zwingend im Museum hinter einer dicken Panzerglasscheibe hängen muss, sondern auch genutzt werden kann. Hauptsächlich geht es mir um Spaß und eine gute Zeit.“ 

Womit wir wieder bei der Mode und Skateboarding wären. Für Shootings für den Signature-Schuh des Skaters Erik Ellington bei der chinesischen Sneakerscompany „Li-ning“ war Lukas in letzter Zeit ebenso unterwegs wie für Ellingtons Luxusschuhfirma „Human Recreational Services“. Diese Jobs führten ihn nach Miami, New York, Los Angeles, Florenz, Kopenhagen und Paris. „Zunächst sind wir einfach in New York abgehangen, waren skaten und ich habe das dokumentiert. Danach ist der Modepart hinzugekommen und wir waren recht viel unterwegs,“ sagt der 38-Jährige. 

Gibt es einen Menschen, den er noch gerne fotografieren würde? Lukas denkt nach, nimmt einen Biss von seinem Lemongrass Chicken, lächelt und sagt knapp und bestimmt: „David Bowie. Das wird sich aber nicht mehr machen lassen. Man kann eben nicht alles haben.“ 

www.lukasgansterer.com

@dark_white

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