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Indiana Jones der Skateboardszene: Ben Beofsich und die Alm.

Am Nordbahnhof schließt sich ein Kreis. Dort, wo der Alm-DIY-Skatespot bereits zweimal abgerissen wurde, baut Spoff-Mitarbeiter Ben Beofsich nun einen offiziellen Skatepark für die Stadt Wien. Teil III unserer Serie über die Geschichte von Spoff.

Fotos: Sebastian Weissinger

Hochsommer im Nordbahnviertel. Aus dem Radio tönt es „Heat of the Moment“ von Asia, die Bagger ziehen ihre Runden und Ben Beofsich setzt sich mit einem Bier in den Schatten eines Baucontainers und erzählt: „Hier war der Urknall vom Alm-Verein. Angefangen hat alles mit einem illegalen DIY-Spot. Danach wurde es immer organisierter, verschiedene Gruppen haben sich zusammengetan und Projekte  umgesetzt. Aber der Zugang war immer von unten heraus. Der Stadtforscher würde sagen: ‚ein Bottom-Up-Approach`“.

Wenn Ben über die Anfänge des Alm-DIY-Skatespots spricht – Hackler-Outfit an und ein Kapperl am Kopf auf dem steht „Ich bin Denkmal“ – wirkt der 33-jährige Skater wie ein Archäologe, der unermüdlich daran arbeitet, einen verlorenen Schatz zu bewahren. Nur dass es sich hier nicht um antike Vasen, goldene Becher oder religiöse Relikte handelt. Sondern  um ein Stück Freiraum, das es inmitten der zugebauten Großstadt zu bewahren gilt. Eine Art Indiana Jones der Wiener Skateboardszene. 

„… der 33-jährige Skater wirkt wie ein Archäologe, der unermüdlich daran arbeitet, einen verlorenen Schatz zu bewahren.

(Keine) Lust auf Eigeneinitiative

„Keine 50 Meter von hier haben wir 2014 mit der alten Alm begonnen“, erzählt Ben und zeigt auf eine leere Grünfläche. „Hier war damals noch nichts – außer die Nordbahnhalle und jede Menge Begeisterung.“ Das Nordbahnviertel im 2. Bezirk ist eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas. Ein komplett neues Stadtviertel wird hier seit Jahren aus dem Boden gestampft, ein moderner Wohnkomplex nach dem nächsten hochgezogen: slick, gleichförmig, kommerziell verwertbar. Die „freie Mitte“ – eine Brachfläche am Rande des Viertels – soll dabei als alternative Freizeitfläche dienen. Alternativ heißt in diesem Fall aber von Bauträgern geplant und von der Stadt Wien genehmigt. Das Gegenteil von dem, was Ben unter alternativ versteht. „Wir haben damals einfach angefangen zu betonieren. Ich, Thomas Renner, Super Lukas, Flo, Stiefel und viele andere waren regelmäßig hier.“ Die Alm wurde so zu einem beliebten DIY-Spot mitten in Wien. Die Eigentümerin der Fläche – die ÖBB – war von so viel Eigeninitiative allerdings nicht begeistert und ließ den Spot abreißen. Das war allerdings kein Grund aufzugeben.

„Keine 50 Meter von hier haben wir 2014 mit der alten Alm begonnen“, erzählt Ben und zeigt auf eine leere Grünfläche. „Hier war damals noch nichts – außer die Nordbahnhalle und jede Menge Begeisterung.“

Einige aus der Alm-Runde gründeten im Jänner 2015 den „Verein zur Förderung von Skateboard D.I.Y.-Projekte“ und schloßen mithilfe der Stadt Wien einen Nutzungsvertrag mit der ÖBB über ein Jahr ab. „Damit war die Alm offiziell und wir haben kontinuierlich weitergebaut: mal ein Curb hier, mal eine Rampe da. Es wurde gegrillt und ein Gemeinschaftsgarten angelegt. Die Alm wurde zu einem richtigen Treffpunkt im Grätzl – für Skater*innen und sowieso allen anderen die Lust hatten, sich einzubringen.“ Die Fläche betrug 3200m² und der Skatepark war eine Anlaufstelle innerhalb der lokalen sowie europäischen Skate- und DIY-Szene. Es war jene Zeit in Wien, als die DIY-Projekte immer mehr und gleichzeitig professioneller wurden. So wirkten zum Beispiel auch die Spoff-Leute auf der Alm mit und gründeten kurz darauf die Skateparkfirma Spoff Parks, für die Ben heute arbeitet. (Mehr zu Spoff und der Firma gibt es im ersten und zweiten Teil unserer Serie zu lesen.) Für viele war die Alm – die ihren Namen vom nahegelegenen „Gasthaus zur Alm“ hat – einer der spannendsten Skatespots der Stadt.

„Das war ein herber Verlust“

Keine Lust sich weiter einzubringen hatte allerdings die ÖBB. Nach Auslaufen des Nutzungsvertrages im März 2016 wurde die Vereinbarung nicht verlängert und die Alm-Crew trotz großer Resonanz in den Medien vom Gelände gekickt. Ein Jahr später, als die öffentliche Diskussion leiser geworden war, wurde alles Geschaffen erneut abgerissen – zum zweiten Mal. „Das war ein herber Verlust“, schüttelt Ben heute noch den Kopf. „Die Stadt Wien hat damals ihre Unterstützung eingestellt und uns im Stich gelassen. Eine Motivation, sich an der Gestaltung der Stadt zu beteiligen, war das nicht“, meint Ben sarkastisch. Ein Grund die Schaufeln ruhen zu lassen war das erneute Plattmachen aber auch diesmal nicht.

„Das war ein herber Verlust“, schüttelt Ben heute noch den Kopf. „Die Stadt Wien hat damals ihre Unterstützung eingestellt und uns im Stich gelassen. Eine Motivation, sich an der Gestaltung der Stadt zu beteiligen, war das nicht“, meint Ben sarkastisch.

In der Zeit um den Abriss wurde der Alm-Verein von der WSE Wiener Standortentwicklung GmbH kontaktiert und bekam eine neue befristete Nutzung in St. Marx im 3. Bezirk angeboten. Dort – zwischen Media Quarter und Südosttangente – fand die Alm auf 500m² ein neues Zuhause. Allerdings nur auf Zeit. Denn auch dort soll bald wieder gebaut werden und eine Eventhalle entstehen, die ab 2028 die Wiener Stadthalle ersetzen soll. Die Brachfläche – auf der neben dem Skatepark auch ein Gemeinschaftsgarten und ein Basketballcourt stehen – soll verschwinden. Ein weiteres Stück gemeinschaftlich genützter öffentlicher Raum wäre damit Geschichte, mehr als 13.000 Stunden investierte Arbeitszeit Vergangenheit. 

„Wem gehört der öffentliche Raum?“

Womit wir beim Baucontainer im Nordbahnviertel und der Zukunft der Alm wären. Ben nimmt einen Schluck aus seiner Bierdose, schaut fasziniert einem Bagger beim Wenden zu und sagt: „Die Alm steht stellvertretend für die Frage, wem der öffentliche Raum gehört. Wie wird er organisiert und wer darf ihn nützen? Da könnte man endlos philosophieren.“ Nicht endlos, aber doch mehrere Jahre hat es gedauert, bis der Alm-Verein es geschafft hat, die Genehmigung zu bekommen, am Nordbahnhof – unweit der ersten Alm – einen neuen, offiziellen Park zu bauen. „Wir haben mitbekommen, dass die Anrainer wieder einen Skatepark haben wollten und der Bauträger darauf natürlich reagieren musste. Das haben wir zum Anlass genommen, um uns wieder langsam an die Verantwortlichen heranzutasten.“ Es folgen drei Jahre Zusammenarbeit mit der MA 42 – dem Stadtgartenamt, das für die Betreuung der „freien Mitte“ zuständig ist. Eine Zusammenarbeit, die nicht immer einfach war. „Von 2017 bis 2020 habe ich jedes Monat angerufen und nachgefragt, wie der Stand der Dinge ist. Irgendwann bin ich dann im Büro der MA 42 in der Dresdnerstraße gesessen und war Projektpartner.“ Der Indiana Jones der Skateparkszene wird sozusagen zum Schreibtischaktivisten.   „Was steht auf der Agenda? Wer beschließt was? Anträge schreiben. Konzepte vorlegen. Nachfragen. Aufgaben verteilen. Das war mein Job.“ Mit Erfolg. 2020 kommt die Zusage von der MA 42. Der Auftrag: Einen offiziellen DIY-Skatepark bauen. Ben lacht: „Das ist ja ein Widerspruch, aber zeigt auch, wie kompliziert und skurril das Ganze ist.“ 

„Im Moment bin ich ziemlich gehyped“

Nun ist es aber offiziell: Der Alm-Verein baut bis Ende 2023 eine neue Alm, umgesetzt wird der Skatepark von der Spoff Parks OG, die MA 42 übernimmt nach Fertigstellung die Pflege. Es ist ein Kompromiss – und doch ein Erfolg der DIY-Skateboardszene. Ein DIY-Skatepark, entworfen und gebaut von unten heraus, aber genehmigt von oben herab. „Die Planung hat lange gedauert und wir leben uns jetzt am Platz ein, tun was hier und da und es wächst. Wir haben nun Zeit und müssen das nicht im Judas-Priest-Tempo durchziehen. Im Moment bin ich ziemlich gehyped. Am Anfang war das hier nur eine Schotterfläche in der Sonne. Aber wenn man sieht, wie was weitergeht, ist das schon geil.“ Ein Weinstock wurde auch schon auf der 890m² großen Fläche gepflanzt. „Unsere Vision ist ein Gartenskatepark mit rund  350m² Grünfläche.“ 

Erwachsenwerden der DIY-Szene

Gleichzeitig merkt man Ben an, wie er sich manchmal noch schwer tut mit der Rolle als offizieller DIY-Bauherr an seinem alten Spot, der zusehen muss, wie im Hintergrund die modernen Wohnhäuser näher rücken. „In Wien DIY-Projekte umzusetzen ist nicht leicht. Es ist ein bisschen so, als ob die Eltern den Kindern sagen, dass sie freie Hand haben beim Gestalten ihres Kinderzimmers. Aber dann kommen die Eltern doch regelmäßig vorbei und sagen dir, wie du es zu machen hast.“ In diesem Sinne ist die neue Alm auch ein Stück erwachsenwerden der DIY-Szene.

In diesem Sinne ist die neue Alm auch ein Stück erwachsenwerden der DIY-Szene

Das geht nicht ohne Kompromisse. Aber Kompromisse und Skaten – das passt schwer zusammen. Entweder du stehst einen Trick oder eben nicht. Dass beides möglich ist – DIY und offizieller Stempel – daran muss sich die Skateszene erst gewöhnen. Dabei geht es – genau so wie beim Skaten – darum, die richtige Balance zu finden. „Das Ganze war ein zehnjähriger Kampf und ich bin froh, dass wir es geschafft haben. Da schließt sich ein Kreis und gleichzeitig tut sich ein neuer auf“, meint Ben zum Abschluss, nimmt noch einen Schluck Bier und fügt an: „Auf der anderen Seite werden wir – wenn alles fertig ist – nicht als offizielle Planer und Umsetzer erwähnt. Das geht mir schon am Arsch. Mir ist es immer noch wichtig, den öffentlichen Raum selbstständig zu gestalten. Das sollte kein Privileg sein. Die Frage ist allerdings: Um welchen Preis?“

Rider: Sebastian Weissinger – Ollie | Photo: Philipp Riedl

www.almdiy.at

www.spoffparks.com

Teil I: Narben im Asphalt – Die Geschichte von Spoff.Wie aus einem illegalen DIY-Skatespot in Wien die wohl gefragteste Skateparkfirma Österreichs wurde. 

Teil II: Spoff-Parks-Gründer Frido Fiebinger und Matthew Collins im Interview über das Leben als seriöse Skateparkbauer, woher der Name Spoff kommt und in welcher Stadt sie gerne einmal einen Skatepark bauen würden.

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