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Andi Dvořák: Wie der Fettkakao-Gründer seinen Rhythmus fand

Musiker, Labelbetreiber und seit kurzem auch Maler: Seit fast 20 Jahren bereichert das Label von Andi Dvořák die Wiener Indie-Welt. Ein Besuch im Fettkakao-Hauptquartier.

Fotos: Sophie Köchert

„2025? Das sind….20 Jahre. Stimmt. Wow.“ Andi Dvořák steht im Vorraum seiner Wohnung und zählt die Zeit. Vor fast zwei Jahrzehnten, im Jahr 2005, hat der 42-Jährige sein Musiklabel „Fettkakao Records“ gegründet. Da sammelt sich so einiges an, wie ein Besuch in seinem Zuhause im 9.Bezirk zeigt. „Hier ist das Fettkakao-Lager“, sagt er und zeigt auf eine mit Kartons vollgepackte Stellage. Daneben schmiegen sich ein Bass und ein Skateboard an die Wand. Davor stehen Bilder. „Das sind Arbeiten, die ich für mein Diplom an der Akademie der bildenden Künste im Jahr 2019 gemacht habe. Dafür habe ich das Prater-Stadion und das Stadionbad porträtiert, die Anfang der 1930er-Jahre im roten Wien für die Arbeiterolympiade gebaut wurden“, erzählt Andi und schickt einen kleinen Geschichte-Exkurs hinterher. „Die Arbeiterolympiade wurde als Gegenmodell zu den traditionellen olympischen Spielen ins Leben gerufen. Dabei sollten nicht Konkurrenz und der Wettkampf der Nationen im Vordergrund stehen, sondern die gemeinsame sportliche Betätigung.“ 

„Hier ist das Fettkakao-Lager“, sagt er und zeigt auf eine mit Kartons vollgepackte Stellage

Mehr als nur konsumieren

In gewisser Weise als Gegenmodell zu Konkurrenz und Wettkampf ist auch Andis Label „Fettkakao Records“ zu verstehen.  „Partizipation war mir schon immer wichtig. Jeder soll mitmachen können und nicht nur Konsument sein.“ Musikmachen, Platten herausbringen, Konzerte organisieren, Flyer gestalten, auf Tour gehen – all das funktioniere am Besten als Gemeinschaftsprozess. Spannend sei dabei nicht, was offensichtlich ist. „Was ich gleich serviert bekomme, macht mich eher skeptisch. Mich interessiert, was sich an den Rändern abspielt. Dafür braucht es häufig einen zweiten oder dritten Blick.“   Mit dem zweiten oder dritten Blick beschäftigt sich auch seine neue Bilderserie. „Mit dem Malen habe ich erst während der Corona-Zeit angefangen. Aber es macht mir großen Spaß, weil es fokussierter ist als das Musikmachen“, erzählt der Labelmacher und zeigt uns seine Arbeiten. „artists like us like artists like us“ heißt die Serie und war im Frühling als Ausstellung in Budapest und Berlin zu sehen. Es sind Malereien von bekannten (Underground)-MusikerInnen. Aber ohne Gesicht. „Bei Lemmy von Motörhead hat mich zum Beispiel ein Foto von ihm begeistert, auf dem er eine ganz kurze Jeanshose trägt. Das ist ein untypisches Outfit für einen Metal-Frontman. Aber Lemmy hatte diese Scheiß-Drauf-Mentalität und keine Lust, sich typenhaft darzustellen,“ erklärt Andi. 

„Partizipation war mir schon immer wichtig. Jeder soll mitmachen können und nicht nur Konsument sein.“

Es muss was geben

Brüche, Widersprüche und das Nicht-Perfekte erfreuen den Fettkakao-Gründer besonders: „Wenn bei einem Konzert etwas schief geht oder Unerwartetes passiert, das finde ich spannend. Wie geht die Band damit um? Was macht das Publikum? Wie wird improvisiert? Und am Ende merken wir: Das Unerwartete gehört dazu. Ja, es macht sogar Spaß.“ Ein bisschen unerwartet ist auch, dass das Label nun schon seit fast 20 Jahren existiert. Mehr als 50 Releases gab es in dieser Zeit, unzählige Konzerte, Filmvorführungen und Ausstellungen. Was hat ihn damals zur Gründung motiviert? „Wir waren alle in unseren frühen 20ern und hatten das Gefühl, dass wir einfach selbst etwas machen wollen.“ Fast zeitgleich wurden damals auch die heute noch aktiven Labels Seayou Records, Siluh Records und Asinella Records gegründet. „Das hatte schon eine gewisse Selbstverständlichkeit. Du musst nicht darauf warten, dass andere etwas für dich machen. Du kannst es ganz einfach selbst tun. Das hat sicher mit meiner Sozialisierung im Punk und Skateboarding der 1990er-Jahre zu tun.“  Die ersten Konzerte fanden in den kleinen Clubs Wiens statt oder in Läden von Freunden wie dem Stil-Laden. Als Vorbilder dienten Labels wie Dischord aus Washington D.C. oder K Records aus der Stadt Olympia im Bundesstaat Washington. Kein Zufall also, dass Veröffentlichungen dieser beiden Labels auf Andis großen Plattenschrank thronen.  „Ich kann dir gar nicht sagen, wie viele Platten es sind. Ein paar Tausend. Aber ich gebe auch immer wieder welche weg, damit die Sammlung in Bewegung bleibt.“

”Du kannst es ganz einfach selbst tun. Das hat sicher mit meiner Sozialisierung im Punk und Skateboarding der 1990er-Jahre zu tun.“ 

Der Therapeut als Nachbar

Mit seiner eigenen Band „Lime Crush“ hat er sich zudem einen weiteren Wunsch nach Bewegung erfüllt: mit der Musik unterwegs zu sein. „Ich war früher sicher sehr unruhig. Das ging schon in die ADHS-Richtung. Die Musik – ständig kracht und tut sich etwas – war für mich ideal, um diese nervöse-kreative Energie rauszulassen. Mit dem Touren ist für mich aber hinzugekommen, dass ich eine Stadt anders kennenlernen kann. Das hat auch etwas Beruhigendes.“  Darüber würde sich wohl auch ein ehemaliger Nachbar des Fettkakao-Gründers freuen. Nur ein paar Häuser weiter in der Berggasse wohnte und arbeitete vor 100 Jahren Sigmund Freud. Heute ist in der ehemaligen Wohnung des Begründers der Psychoanalyse ein Museum untergebracht. Parallelen zwischen Freuds und Andis Arbeit liegen nahe. Andi dazu: „Für mich ist Musik sicher eine Art Therapie. Der Winter war stimmungsmäßig schwierig. Wenn ich in dieser Zeit einmal die Woche im Proberaum einfach nur Gitarre spielen konnte, ging es mir schon wieder besser.“  Neben der Musik und dem Malen hat Andi in den letzten Jahren eine dritte Sache für sich entdeckt, die ebenfalls Rhythmus und Fokus braucht: das Schwimmen. Fast täglich zieht er zur Mittagsstunde seine Runden im Stadionbad im Prater. „Ich habe das als Kind schon gemacht. Da war das allerdings auf Leistung getrimmt und ich habe es wieder sein lassen. Vor ein paar Jahren habe ich das Schwimmen wieder für mich entdeckt, um für das Schlagzeugspielen Kondition zu haben. Heute genieße ich die Ruhe und den Rhythmus der Bewegungen.“  

„Ich war früher sicher sehr unruhig. Das ging schon in die ADHS-Richtung. Die Musik – ständig kracht und tut sich etwas – war für mich ideal, um diese nervöse-kreative Energie rauszulassen.

Und wie geht es weiter? „Mit Lime Crush haben wir eine neue 7’’ veröffentlicht und ich würde gerne ein paar Konzerte mit der Band spielen. Außerdem bringe ich nach längerer Zeit wieder eine Compilation mit mehreren Bands raus. Das wird spannend.“ Auch wenn der Rhythmus des Labels kurz vor dem 20-jährigen Jubiläum langsamer geworden ist, ganz zur Ruhe wird der Fettkakao-Macher also nicht kommen. Freud würde sich darüber freuen.  

www.fettkakao.com

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