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Siebdruckwerkstatt Viadukt: Wiens „Lower Eastside“

Bernadette Meisel hat das Siebdrucken mit aus New York gebracht und mit dem Viadukt die beste Anlaufstelle in Wien für diese analoge Kunsttechnik geschaffen.

Fotos: Sebastian Weissinger

In Wien liegt die „Lower Eastside“ am Ende der Gumpendorfer Straße. Hier, im Hinterhof eines großen Backsteinhauses im 6. Bezirk, leitet Bernadette Meisel die Siebdruckwerkstatt Viadukt. „Ich habe nach meinem Studium der Kunstvermittlung im Jahr 2008 eine Zeitlang im Lower Eastside Printshop in New York gearbeitet. Dabei ist mir klar geworden, dass ich das auch in Wien machen möchte“, erzählt die 39-Jährige. Mit „das“ meint Meisel die Kunsttechnik des Siebdruckens. „In Kunstmetropolen wie New York oder London ist diese analoge Drucktechnik sehr populär, in Wien ist sie allerdings in Vergessenheit geraten. Das wollte ich ändern.“ 14 Jahre später ist das Viadukt die beste Anlaufstellen der Stadt, um professionelle Kunstwerke auf allen flachen Druckträgern wie Papier, Textil, Metall, Holz oder Kunststoff zu drucken. 

„Muss nicht immer perfekt sein“

„Siebdruck hat mich schon im Studium fasziniert. Einerseits kann man den Druck ständig wiederholen. Andererseits muss das Werk nicht bis ins letzte Detail perfekt sein. Das gefällt mir“, erzählt Meisel während sie durch die 100 m2 große Viadukt-Werkstatt führt. Früher lagerte das Filmunternehmen Listo hier seine Filmrollen. Als diese auf digitale Entwicklung umstieg, wurden die Räume für das Viadukt und seine analogen Drucke frei. Heute können sich bis zu zehn Künstler und Künstlerinnen zeitgleich in der Werkstatt zum Arbeiten einmieten. Neben Workshops zum Erlernen der Siebdrucktechnik liegt der Schwerpunkt bei der Unterstützung und Begleitung bei den kreativen Prozessen. Zudem erscheint regelmäßig eine limitierte Viadukt-Edition von namhaften und aufstrebenden Künstlern und Künstlerinnen wie Elisa Alberti oder Thomas Rhube. „Zeitgenössische Kunst soll nichts Abstraktes sein, zu dem man keinen Zugang hat. Sie soll zum Austausch einladen – und gleichzeitig leistbar sein.“ 

„In Kunstmetropolen wie New York oder London ist diese analoge Drucktechnik sehr populär, in Wien ist sie allerdings in Vergessenheit geraten. Das wollte ich ändern.“

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Bitte zu Tisch

Um diesen Austausch weiter zu forcieren und gedacht als Blick hinter die Arbeiten, hat Meisel im Jahr 2020 die Ausstellungsreihe „At The Printing Table“ ins Leben gerufen. Bei diesem Format geben Videos und Fotos Einblicke in das prozesshafte Arbeiten der Künstler*innen, Interviews und Texte von Kurator*innen ergänzen das Bildhafte. Eine Auswahl an Werken wird darüber hinaus im Viadukt-Ausstellungsraum gezeigt, der sich gleich neben der Werkstatt befindet. Derzeit sind hier die Arbeiten der Künstlerin Sophie Dvořák zu sehen.

Zuvor haben unter anderen Käthe Schönle mit ihren collagenhaften Bildern oder  die Druckgrafikerin Renata Darabant am „Printing Table“ Platz genommen. Was auffällt, ist die große Dichte an Frauen, die im Viadukt arbeiten. Für Gründerin Bernadette Meisel habe sich das einerseits im Laufe der Jahre so ergeben. Andererseits sei es aber auch immer mehr eine bewusste Entscheidung geworden. „Seit ein paar Jahren haben wir auch ein Artist in Residency-Programm, das sich an Künstlerinnen über 40 Jahre richtet.

„Ich selbst bin durch mein erstes Kind endgültig erwachsen geworden. Ich bin klarer und konsequenter in meinen Entscheidungen – aber auch gelassener.“

Hier gibt es oft kein Angebot an Stipendien mehr. Gleichzeitig sind das aber häufig die Jahre, in denen Unterstützung wichtig ist – vor allem, wenn man Mutter ist“, erklärt Meisel. Die 39-Jährige erwartet selbst im Herbst ihr zweites Kind. „Ich selbst bin durch mein erstes Kind endgültig erwachsen geworden. Ich bin klarer und konsequenter in meinen Entscheidungen – aber auch gelassener.“ Gute Eigenschaften, um einen Ort wie das Viadukt, an dem von etablierten Künstlerinnen bis zu Rookies unterschiedliche Menschen Kunst machen, am Laufen zu halten. 

Möglichkeiten für Menschen schaffen

Neben dem Viadukt unterrichtet Meisel noch Kunst an einem Gymnasium. Die Vermittlung von Kunst habe bei ihr seit der Viadukt-Gründung immer mehr Platz eingenommen, die eigene künstlerische Arbeit ist in den Hintergrund gewandert. Und gute Organisation will gelernt sein, wie die vielen Hinweiszettel in der Viadukt-Werkstatt zeigen. Darauf ist zu lesen, wie die Siebe am besten ausgewaschen werden, wo die Farben zu finden oder wie neue Druckerpatronen zu installieren sind.  Zwischendurch sind auch noch familiäre Angelegenheiten zu erledigen: „Die Hausschlüssel sind in der Waschmaschine. Lange Geschichte…“, erklärt die junge Gründerin ihrem Freund am Telefon.  Management auf allen Ebenen. 

Die Rahmenbedingungen zu kreieren, um für Menschen Möglichkeiten für die künstlerische Arbeit zu schaffen, habe sie schon immer interessiert. Auch wenn es viel Aufwand sei und der Prozess nie abgeschlossen.  „Aber es ist schön zu sehen, wie das Viadukt über die Jahre gewachsen und gereift ist.“ 

„In den letzten Jahren haben wir uns von der klassischen Street Art wegentwickelt und sind immer mehr ein Ort für zeitgenössische Kunst geworden.

Wien habe sich in den letzten zehn Jahren als Standort für zeitgenössische Kunst gut entwickelt, sagt die Chefin. Das Viadukt selbst hat in der Vergangenheit mit Museen und Einrichtungen wie dem Kunsthistorischen Museum, der Galerie Christine König oder der Kunsthalle Wien zusammengearbeitet. „In den letzten Jahren haben wir uns von der klassischen Street Art wegentwickelt und sind immer mehr ein Ort für zeitgenössische Kunst geworden. Siebdruck bietet aber so viele Möglichkeiten, dass wir unsere Wurzeln sicher nicht vergessen werden “, ist Meisel überzeugt. 

Den „Lower Eastside Printshop“, so etwas wie die Saat der Viadukt-Wurzeln, gibt es übrigens immer noch. „Fine Art Printmaking in New York City Since 1968“ ist bis heute dessen Motto. Möge auch in der Wiener „Lower Eastside“ auf der Gumpendorfer Straße lange zu lesen sein: Viadukt Screen Prints, Wien seit 2008.  

www.viadukt.at

www.attheprintingtable.at

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